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Schlacht um Arnheim 1944 – Ein deutscher Abwehrsieg?

von Dr. Karsten Heinz Schönbach

Die Schlacht um Arnheim ist das Ergebnis des Scheiterns der west-alliierten Offensive unter dem Tarnnamen „Market Garden“ im September/Oktober 1944. Das heißt zugleich, dass es sich hier in der Tat um einen deutschen Abwehrsieg handelt. Entgegen den bisherigen Auffassungen dazu, endete die Schlacht jedoch nicht schon Ende September, sondern erst Anfang Oktober 1944 mit dem Gefecht um die Kreuzung bei Elst.

„Der 17.9. stand im Zeichen der feindlichen Luftlandung im Raum zwischen Eindhoven und Arnheim, wo der Feind mit 2 – 3 Divn. sich in den Besitz aller wesentlichen Übergangsstellen zu setzen versuchte, um der im Laufe des Nachmittags zum Angriff nach Norden angetretenen 2. englischen Armee den Weg über die Kanäle und Flüsse offen zu halten.“(1)

So lautete die Tagesmeldung des OB West an das OKH vom 17. September 1944. Der britische Feldmarschall Montgomery hatte den Plan entwickelt, mit einer überraschenden Offensive in Holland gegen die dortigen deutschen Truppen, den „Westwall“ zu umgehen, die Westfront aus den Angeln zu heben und in die norddeutsche Tiefebene in den Rücken der Heeresgruppe B (HG B) vorzustoßen. Das Unternehmen war als große Luftlandeoperation gedacht. Luftlandetruppen sollten im Rücken der deutschen Front die Brücken über mehrere Flüsse sichern, damit die Truppen des XXX. brit. Korps schnell über sie hinwegstoßen könnten.(2) Allerdings gelang es dem OB West und der HG B den angreifenden west-alliierten Verbänden, schnell den Schneid abzukaufen. Die britische Aufklärung hatte in der Nähe der Absprungzonen befindliche SS-Panzerdivisionen übersehen. Diese waren zwar in einem schlechten Zustand, aber sie waren da.
Im Verlaufe der Operation „Market Garden“ gelang es den west-alliierten Luftlandetruppen nicht, die nördlichste Brücke – die Brücke von Arnheim – zu sichern. Im Raum Arnheim zog der OB West insgesamt neun Divisionen zusammen – darunter drei Panzerdivisionen (9. u. 10.SS-PzD, 116. PzD). In einem Bericht des OB West an das „Oberkommando des Heeres“ (OKH) heißt es dazu:
„Die feindl.[ichen] Absichten sind durch die erfolgreichen eigenen Gegenmaßnahmen gegen die Luftlandetruppen vermutlich erheblich gestört. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der Gegner mit allen Mitteln versuchen wird, sowohl durch weitere Luftlandungen […] als auch verstärkten Druck aus dem Raum Eindhoven eine sichere Landverbindung zur Luftlandetruppe herzustellen.“(3)

Schlacht um Arnheim
Karte gezeichnet von Dr. Karsten Heinz Schönbach

Vor allem die 1. britische Luftlandedivision (LLD), die nordwestlich von Arnheim abgesprungen war, geriet durch die SS-Panzerdivisionen in schwere, verlustreiche Kämpfe. Bereits am 24. September ordnete Feldmarschall Montgomery die Evakuierung der restlichen Kämpfer der 1. brit. LLD an. Von den etwa 10.000 Mann der Division kamen noch 2.163 Mann über den Niederrhein bei Arnheim zurück zu den west-alliierten Linien.(4)
Trotz der sich für sie abzeichnenden Niederlage warfen die West-Alliierten am 27. September immer weiter Luftlandetruppen in die Schlacht – hauptsächlich im Raum Nimwegen. An diesem Tag konzentrierten sich fast die gesamten im Einsatz befindlichen west-alliierten Luftstreitkräfte an der Westfront nahezu ausschließlich auf die Unterstützung der Operation „Market Garden“ im Raum Nimwegen.(5) Am 29. September konzentrierte sich der west-alliierte Luftwaffeneinsatz hautsächlich auf Verkehrsziele im Rückraum der Wehrmacht in Holland.(6) Die starke Konzentrierung der west-alliierten Luftstreitkräfte über dem Raum Nimwegen – Arnheim konnte die abnehmende Überlegenheit der west-alliierten Bodentruppen jedoch nicht kompensieren.

Durch die zunehmende Anzahl deutscher Divisionen im Raum Nimwegen – Arnheim verloren die west-alliierten Truppen ihre signifikante Überlegenheit und das Überraschungsmoment. Damit hatte sich ihre Lage für sie bereits entscheidend verschlechtert.

In der Zeit vom 2. bis zum 5. Oktober vereinten die Deutschen im Westen des Raumes Nimwegen – Arnheim drei Panzerdivisionen (PzD): die 10. SS-PzD, die 116. PzD und die 9. SS-PzD. Diese drei Panzerdivisionen wurden zusammen eingesetzt, um zwischen Arnheim und Nimwegen die Front der angloamerikanischen Truppen zu durchbrechen und die taktisch wichtige Straßenkreuzung bei Elst einzunehmen. Die Kämpfe dauerten bis in die Nächte hinein. Dabei gelang es den deutschen Truppen – trotz heftiger britisch-amerikanischer Luftangriffe – die Verbindungsstraße zwischen Arnheim und Nimwegen zu erreichen und unter verlustreichen Kämpfen zu sichern.(7) Damit waren der Weg und die Verbindung der Engländer nach Arnheim endgültig abgeschnitten.

Entgegen der bisherigen Geschichtsschreibung zu diesem Thema, endete also erst mit diesem letzten Gefecht die Schlacht um Arnheim. Am 9. Oktober 1944 ebbten daher die Kämpfe im Raum Nimwegen – Arnheim erstmals seit dem 17. September wieder spürbar ab.(8) Die Operation „Market Garden“ endete in einem Fiasko für die west-alliierten Streitkräfte. Die Verluste der west-alliierten Truppen beliefen sich allein bis Ende September auf fast 17.000 Mann. Die deutschen Verluste waren demgegenüber mit etwa 3.300 Mann bis Ende September verhältnismäßig gering.(9) Bei den west-alliierten Verlusten kamen noch die Verluste der beiden US-Luftlandedivisionen mit insgesamt 7.382 Mann dazu. (10)

Doch die Kämpfe zwischen dem 2. und 5. Oktober forderten gewiss noch einmal ihren blutigen Tribut auf beiden Seiten. Man kann mit Blick auf das Ganze sagen, dass die Schlacht um Arnheim Anfang Oktober 1944 ausklang. Am 9. Oktober 1944 ebbten die Kämpfe im Raum Nimwegen-Arnheim erstmals spürbar ab. (11)

Die Führung der 21. HG unter Montgomery sah ihre Niederlage bei Arnheim ein und verschob den Schwerpunkt ihrer weiteren Kämpfe nach West-Holland. Dort konzentrierte sich Montgomery auf die 15. (deutsche) Armee.(12)

Quellen und Anmerkungen

Nationalarchiv der USA: Captured German Records – The American Historical Associa-tion/Committee fort he Study of War Documents (AHA/CSWD); Digital History Archive (LLC), Mary-land/USA

  1. Tagesmeldung zum 18.09.1944, Akten des OKH/Tagesmeldungen OB West (H22/60), AHA/CSWD, Mikrofilm T-78, Rolle 313, Bildnummer: (6)266180.
  2. Siehe dazu: Beevor, Antony, Arnheim – Kampf um die Brücken über den Rhein, München 2019, S. 39 – 45; Vogel, Detlef, Deutsche und alliierte Kriegsführung im Westen; in: MGF (Hg.), Das Deutsche Reich in der De-fensive – Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und in Ostasien, 1943 – 1944/45, Stuttgart 2001, S. 606 – 608; Querengässer, Alexander, Sprung ins Debakel – Alliierte Fallschirmoperationen im Zweiten Weltkrieg; in: Clausewitz Spezial, Fallschirmjäger von 1936 bis 1945, München 2021, S. 70 – 73; Jordan, Da-vid, Battle oft the Bulge – German last Offensive December 1944 – January 1945, London 2019, S. 26 – 27.
  3. Bericht über Feindlage im Westen, undatiert, Kriegstagebuch des OKH (H1/534 a – b), AHA/CSWD, Mikrofilm T-78, Rolle 529, Bildnummer: 572.
  4. Jordan, David, S. 27.
  5. Tagesmeldung zum 27.09.1944, Akten des OKH/Tagesmeldungen OB West (H22/60), AHA/CSWD, Mikrofilm T-78, Rolle 313, Bildnummer: (6)266268.
  6. Tagesmeldung zum 29.09.1944, Akten des OKH/Tagesmeldungen OB West (H22/60), AHA/CSWD, Mikrofilm T-78, Rolle 313, Bildnummer: (6)266291.
  7. Vgl.: Tagesmeldungen vom 02.10.1944, 03.10.1944 und 05.10.1944, Akten des OKH/Tagesmeldungen OB West (H22/61), AHA/CSWD,Mikrofilm T-78, Rolle 313, Bildnummer: (6)266312, (6)266320 und (6)266341.
  8. Tagesmeldung vom 09.10.1944, Akten des OKH/Tagesmeldungen OB West (H22/61), AHA/CSWD, Mikrofilm T-78, Rolle 313 Bildnummer: (6)266380 – (6)266382.
  9. Vgl.: Beevor, Antony, Arnheim, S. 412 – 413; Schumann, Wolfgang u.a. (Hg.), Deutschland im zweiten Welt-krieg, Band 6 (Die Zerschlagung des Hitlerfaschismus und die Befreiung des deutschen Volkes), Berlin 1988, S. 116.
  10. Beevor, Antony, Arnheim, S. 431.
  11. Tagesmeldung vom 09.10.1944, Akten des OKH/Tagesmeldungen OB West (H22/61), AHA/CSWD, Mikrofilm T-78, Rolle 313, Bildnummer: (6)266380 – (6)266382.
  12. Vgl. dazu u.a.: Tagesmeldungen zum 17. – 26.10.1944, Akten des OKH/Tagesmeldungen OB West (H22/61), NARA, Mikrofilm T-78, Rolle 313, Bildnummer: (6)266433 – (6)266510. – Hinweis: Ebenso die weiter folgenden Tagesmeldungen zeichnen dasselbe Bild, auch ohne, dass sie hier im Weiteren angeführt werden.
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